Dienstag, 16. August 2016

Bilderbogen Nordsulawesi

Marinenationalpark Bunaken


Dahinschweben… das Unten zieht wie in einer stillen Meditation vorbei. Nach den gewaltigen, zum Teil auch gewalttätigen Eindrücken, die uns die Reise beschert hat, legen sich die Bilder einer verwunschenen Welt wie ein heilsames Pflaster auf unsere Seelen. Natürlich gibt es auch im Meer Fressen und Gefressen-Werden, Jäger und Gejagte, Verbündete und Verlorene. Gerade diese Seite der unvergleichlichen Schönheit, die das Zusammenleben in einem unberührten Korallengarten entwickelt, zeigt Yin und Yang, die polare Dimension des irdischen Seins, die die Schöpfung zu dem macht, was sie ist – zu einem unbegreiflichen Wunder.


Montag, 15. August 2016

Sulawesi - Tana Toraja

Tana Toraja, das Land der Toraja, liegt im Süden Sulawesis. Gleich zu Beginn stellen wir fest, dass wir es hier mit einer zwar altertümlich anmutenden, aber äußerst lebendigen Kultur zu tun haben. Die beeindruckende Architektur der traditionellen Toraja-Häuser findet man überall im Land. Ein landestypisches Dorf besteht aus zwei parallel verlaufenden Häuserreihen in Ost-West-Richtung. Die Wohnhäuser (Tongkonan) blicken nach Norden und damit, nach dem Verständnis der Toraja, den Göttern entgegen. Ihnen gegenüber stehen die Reisspeicher (Alang). Die Stützbalken der Gebäude sind mit zahlreichen Büffelhörnern geschmückt. Weil diese von Opferungen stammen, die bei vergangenen Begräbnissen stattgefunden haben, gibt die Anzahl der Hörner Aufschluss über die soziale Stellung der Bewohner. Während wir durch die Landschaft fahren, sehen wir unzählige dieser Dörfer, die wie eine Ansammlung von Schiffen im grünen Meer der Reisfelder liegen. Sie erinnern an eine über den Ozean kommende Flotte, und das ist durchaus beabsichtigt. Die Schiffsform der Dächer soll nämlich die Boote der allerersten Ahnen darstellen, die etwa zwischen 2500 und 1500 v. Chr. aus  dem indochinesischen Raum nach Sulawesi kamen.

Kete Kesu

Im Verständnis der Toraja ist das Leben im Diesseits nur ein Übergang, allein das Sein danach ist von Bedeutung. Die Toten bleiben auf der Erde und müssen sich auf die lange, gefährliche Reise nach Puya begeben, einem mythischen Ort weit im Süden hinter dem Horizont. Ihr Weg beginnt im Grab. Der Erfolg ihrer Reise ist von religiösen Ritualen abhängig, die von den lebenden Verwandten durchgeführt werden müssen. Daraus ergibt sich für die nächsten Angehörigen ein starker sozialer und religiöser Zwang. Diese müssen nämlich so lange sparen, bis die, dem Status entsprechende, Feier finanziert werden kann. Bis dahin wird der Tote in einem Ritus einbalsamiert und, in Tüchern eingebunden, im Haus aufgebahrt. Wenn es endlich soweit ist, dass das Begräbnis stattfinden kann, bringen Verwandte und sonstige Gäste Geschenke mit wie Büffel, Schweine, Palmwein (Tuak) oder auch (wie wir) eine Stange Zigaretten.



Bei der Aufbahrungszeremonie wird der überreich geschmückte Sarg von ungefähr 20 Männern unter fürchterlichem Geschrei zum Heimathaus und wieder zum Platz der Zeremonie zurückgetragen. Die Männer geben unbeschreibliche Urlaute von sich, zu denen auch hysterisches Lachen gehört. Immer wieder schütteln sie den Sarg und gehen Zick-Zack-Linien, so als wollten sie den Toten aufwecken. Der Schein trügt allerdings, denn durch das Hin und Her des Sarges sollen böse Geister abgeschüttelt werden. Jetzt ist es soweit. Die Spannung wächst, denn mittlerweile sind mächtige Bullen hereingeführt worden, und stampfendes Trommeln lässt die Szenerie beben.




Der Schlachtbereich für die Schweine ist hinter dem Häuschen, das uns zugewiesen wurde. Diese schreien erbärmlich, im Augenblick des Todes aber sind sie stumm. Auf einer äußerst luftigen Bambusleiter wird schließlich der Sarg auf ein reich verziertes Podest gehievt, das wie ein Thron in acht Metern Höhe aussieht.



Nun ist es Zeit für uns, zu gehen, denn der teuerste der Bullen, ein hellhäutiges Tier, wird in die Mitte des Platzes geführt. Das Letzte, was wir wahrnehmen, ist das aufgerissene Auge der gequälten Kreatur. Die blaue Iris ist so weit verdreht, dass es den Anschein hat, als blicke der Bulle in sich selbst zurück, in sein Innerstes, das die Göttlichkeit in sich trägt, die alles Leben und Sterben verbindet.

Teilnehmen, Anteilnehmen, zur Kenntnis nehmen und sich nichts zu Herzen nehmen!

Überall im Land findet man Felsengräber mit Holzpuppen, die Tao Tao genannten werden. Weil sie lebensecht die Verstorbenen darstellen sollen, sind sie ganz unterschiedlich gekleidet, tragen Brillen, manche auch Kopfbedeckungen. Einige sind dick, andere dünn. Weil die Verstorbenen im Glauben der Toraja physisch anwesend sind, werden sie regelmäßig mit frischem Wasser und Zigaretten versorgt.

 
Felsengrab von Suaya

 Felsengrab von Tampangallo

Donnerstag, 4. August 2016

Lombok Bilderbogen

Gili Meno

Strand von Senggigi

Lebensfreude

affig lustig

Lombok - Rinjani

Nicht ganz leicht zu finden ist das Resort "Rinjani Mountain Garden". Wer es aber geschafft hat, wird von Irmtraud und Roland, den deutschen Eigentümern unglaublich verwöhnt. Die beiden haben sich hier, am Fuße des Vulkans, ein paradiesisches Plätzchen geschaffen: Die Gäste sind in urigen, landestypischen Holzhüttchen untergebracht, deren Terrassen einen weiten Blick freigeben auf das fruchtbare Land mit dem Meer als Horizont. Wie eigentlich immer auf Lombok, spielt sich alles im Freien ab. Schattig überdacht ist der Essensbereich. Herrlich kalt fließt ein Bächlein in das natürliche Badebecken, in dem man gemeinsam mit kleinen Fischen, Fröschen und einer Sumpfschildkröte seine Kreise zieht.




Ein Spaziergang am Nachmittag führt uns entlang von Bewässerungskanälen, in denen es munter gluckert, durch grüne Reisfelder. An manchen Stellen ist noch der dichte Regenwald stehen geblieben. Die Menschen, denen wir begegnen, erledigen ihre Arbeit.




Wer auf den Vulkan will, muss früh aufstehen, denn für die erste Etappe müssen 2000 Höhenmeter bewältigt werden. Um 7 Uhr werden wir auf der Ladefläche eines Pickups unseres Trekkingunternehmens in holprigen 20 Minuten nach Senaru (600 Meter Seehöhe) gebracht. 


Im kleinen Büro geht es schon geschäftig zu. Die Träger laden in jeweils zwei große Körbe Zelte, Schlafmatten, Schlafsäcke, Kochutensilien, Geschirr und vor allem die Lebensmittel für drei Tage. Sie sind durchwegs äußerst zäh wirkende Männer mit Stahlkörpern, die eine gute Stimmung verbreiten und den Eindruck machen, als würde ihnen die bevorstehende körperliche Höchstleistung nichts ausmachen. Beeindruckend ist das Schuhwerk, mit dem sie unterwegs sein werden: Keiner von ihnen hat etwas anderes als Flip Flops an den Füßen.


Vorerst sind wir in dichtem Regenwald unterwegs, auf einem Weg, der über knorrige Brettwurzeln führt.
Im Basecamp 2 sind fast 1000 Höhenmeter geschafft. Obwohl wir einen späteren Zeitpunkt für den Lunch gewählt hätten, heißt es für uns warten, denn jetzt wird erst einmal gekocht. Die Affen erkennen am Duft, dass es ernst wird und ziehen den Ring enger. Die Gemüsesuppe mit Nudeln, einem hartgekochten Ei, dazu Reis und Ananas schmecken wirklich gut. Die Affen holen sich ihren Anteil.


Basecamp 3, Mondokan Lolak:
„Jetzt wird es zaach!“ Die psychische Verfassung ist besser als die physische, reicht aber noch aus, um den körperlichen Einbruch vor den anderen Expeditionsteilnehmern zu verbergen. Wer jetzt über sich hinauswächst, wird belohnt. Die letzten 500 Höhenmeter sind äußerst steil und kräfteraubend, aber das Ziel, der Kraterrand in 2641 Metern Seehöhe, ist in Sicht. Als wir diesen erreichen, sind augenblicklich alle Mühen vergessen.


Ein Kranz von Vulkanen, unter ihnen der namengebende Gunung Rinjani (3724 Meter Seehöhe) bilden die 600 Meter hohen Wände einer Caldera, die von einem blauen Kratersee eingenommen wird. „Danau Segara Anak“ ist der poetische Name des stillen Gewässers, was so viel bedeutet wie „Kind des Ozeans“. Unten schmaucht der kleine Gungung Baru vor sich hin. Er ist erst 1994 bei einem Ausbruch des Rinjani entstanden und wirkt neben den ihn umgebenden Riesen wie ein kleines Kind, jugendlich feurig, aber doch harmlos.


Nach dem blutroten Sonnenuntergang wird es sehr schnell kalt. Wir beziehen unsere kleinen Zelte. Jetzt können wir auch nicht mehr die Augen verschließen vor der katastrophalen Vermüllung, die hier am Kraterrand durch die Anwesenheit der Touristen entstanden ist. Während die anderen Gruppen schon lange ihr Klohüttchen bekommen haben, müssen wir unseren Guide erst daran erinnern, dass es für uns auch langsam Zeit wird. Dieser erhebt sich in aller Ruhe und verschwindet erst einmal für eine halbe Stunde. Später stellt sich heraus, dass er sich auf die Suche nach vier halbwegs brauchbaren Stecken gemacht hat, die das Gerüst unserer Toilette bilden sollen. Das Endergebnis der mühevollen Arbeit, bei der der Wind alles tut, um das Finale hinauszuzögern, ist ein viereckiges, auf drei Seiten mit einer orangen Plane umspanntes Hüttchen, dessen Tür ein schwarzer, aufgeschnittener Müllsack ist. Dieser wirklich nicht ausreichende Sichtschutz schaut pikanterweise genau in Richtung Zeltlager. Später, in der tiefen Dunkelheit der Nacht, stellt sich heraus, dass unser Örtchen etwas unschlagbar Schönes an sich hat. Wenn man beim Hocken über dem Erdloch hinaufblickt, sieht man als schimmerndes Band den Streifen der Milchstraße über sich.


Nach einer sehr kalten Nacht geht es heute 600 Meter hinunter zum Kratersee. Wir steigen durch einen von der Sonne durchfluteten Wald hinein in die Caldera, in der tiefe Stille herrscht. Wäre da nicht gegenüber das kleine schmauchende Ungeheuer, man könnte glauben, irgendwo an einer besonders schönen Stelle der Alpen unterwegs zu sein. Der See hat heute eine tief blaue Farbe. Beim Basecamp 4 soll unser Lunch zubereitet werden. Bis es soweit ist, dürfen wir uns in den heißen Quellen, fünfzig Höhenmeter unterhalb des Kratersees, vergnügen. Zwei Wasserfälle sind der direkte Abfluss gleich neben dem Schmaucher und somit ein feuriger Gruß von Mutter Erde.


Als wir uns gerade fertig machen, um hinaufzusteigen zum Lunch, scheint mit einem Schlag die Zeit still zu stehen und sich alles ins Gegenteil zu verkehren.
12 Uhr Mittag: eine Explosion erschüttert den Berg und zugleich unser Innerstes. Wir sind so erschrocken, wie es nur sein kann, und blicken hinüber zu den Einheimischen, um zu sehen, wie sie reagieren. Eigenartigerweise lachen sie zu uns herüber, so als würden sie sich über uns lustig machen. Später erinnern wir uns daran, dass das Lachen hier alles Mögliche bedeuten kann und somit durchaus auch Ausdruck überspielter Angst sein kann. Erst als ein zweiter Knall klar macht, dass der Vulkan wirklich ausgebrochen ist, und eine schwarze Rauchsäule über dem Kraterrand aufsteigt, ergreifen alle die Flucht und deuten uns, augenblicklich aufzubrechen. 


Vorerst haben wir gar keine Zeit, in Panik zu geraten und wir hetzen hinauf zum See, denn es führt kein direkter Weg hinunter ins Tal. Dass wir dabei dem Vulkan näher kommen müssen, ist nicht wirklich erfreulich. Der Weg, der nun vor uns liegt, führt drei Stunden lang, direkt gegenüber vom gar nicht mehr niedlichen Vulkan bis zum Rand der Caldera hoch. Jetzt ist sie da, die Panik, denn von uns traut es sich niemand zu, 600 Höhenmeter in Todesangst hinauf zu hetzen. Es ist aber ohnehin gleich Schluss, denn die heruntereilenden Träger deuten uns umzukehren. Der Weg hinauf ist durch die schwarze Asche- und Gaswolke versperrt, denn der Wind trägt das Auswurfsmaterial des Vulkans direkt in diese Richtung. Wie lange Minuten dauern können, erfahren wir jetzt, während von allen Richtungen mehr und mehr Einheimische zusammenlaufen. Schließlich setzt sich der Trupp der Flüchtenden in Bewegung. Erst nach oftmaligem Fragen, wird uns erklärt, dass es anscheinend doch einen alternativen Weg gibt, der direkt hinunter sticht in ein grünes Tal. Erst nach einer Stunde Hetzens machen wir Halt, um zu verschnaufen. 


Jetzt ist wieder etwas Ruhe eingekehrt. Die Träger sitzen mit betroffenen Mienen zusammen und blicken immer wieder hinauf zum schwarzen Himmel, der sich langsam heruntersenkt. Die allergrößte Gefahr sei nun vorbei, beruhigt man uns. „Please pray with us“, sagt einer, dem die Furcht noch immer ins Gesicht geschrieben ist. „Pray for our friends.“ Der Mann deutet hinauf. Da oben sind noch viele unterwegs, die sich nun in höchster Lebensgefahr befinden. Die Gefühle, die uns überschwemmen, sind nicht zu beschreiben, bestenfalls zu benennen mit nichtssagenden Worten wie Dankbarkeit und Demut.
Jetzt erfahren wir auch, dass uns ein elendslanger Abstieg auf einem Pfad bevorsteht, der normalerweise nur von Einheimischen begangen und nicht wirklich in Stand gehalten wird. Wie lange wir brauchen werden, kann uns niemand sagen, denn nur wenige der Träger scheinen den Weg zu kennen. Dass wir nun an unsere Grenzen gehen, ist eine klare Sache. Immerhin sind wir, von der Explosion bis zum Endpunkt unseres Marsches in Torean, acht Stunden in schwierigstem Gelände unterwegs. Trotz der Erschöpfung, die uns bald überkommt, erfassen wir die Schönheit des Weges, der uns durch das Tal des gelben Flusses führt. Es fällt in steilen, dunkelgrünen Hängen ab und strahlt eine wilde Unberührtheit aus, die bisher wohl nur wenige Touristen zu Gesicht bekommen haben.


Am Ende unseres Weges brauchen wir die Stirnlampen, denn längst ist die Nacht hereingebrochen, und wir sind in dichtem Regenwald unterwegs. Für uns erübrigt es sich, nach so einem Erlebnis irgendetwas zu bereuen oder zu hinterfragen. Es ist einfach passiert, so wie das Leben passiert: Unberechenbar und in seiner Wucht wohl kaum zu übertreffen.

Sonntag, 24. Juli 2016

Indonesien 2016 - Flores

Wenn man ein Land wie Indonesien ein zweites Mal bereist, sind es zwei widersprüchliche Gefühle, die einen gefangen nehmen. Da ist die Exotik mit all ihren Sinneseindrücken aus Bildern, Gerüchen und Klängen. Sie hat ihren Reiz keineswegs verloren. Allerdings ist sie gepaart mit so etwas wie Erleichterung. Es hat schon seine Vorteile, manches bereits einordnen zu können. Gut ist es, nicht ganz so fremd zu sein in diesem unglaublichen Land, dem es immer wieder ein Leichtes ist, einen in seiner Unfassbarkeit aus der Fassung zu bringen.

Für unseren Boattrip zu den Komodo-Inseln werden wir von einem Guide beim Hotel in Labuan Bajo abgeholt und auf unser Privatschiffchen gebracht. Wir fühlen uns wie Neureiche auf der eigenen Jacht mitsamt Crew. Dass wir auf einem grün lackierten Kutter unterwegs sein werden, mit harten Holzbänken unter dem Sonnendach und schon in die Jahre gekommenen Plastikmatratzen zum Liegen, spielt dabei keine Rolle. Wir finden ein Klo vor, sogar zum Hinsetzen, mit Wasserkübel plus Schöpfer zum Hinunterlassen – auch daran sind wir schon gewöhnt. Unsere Crew besteht aus vier Mann (!), dem Kapitän, einem Schiffsjungen und einem hässlichen, stummen Koch. Letzterer ist, wie wir später erfahren,  ein Bugi (Angehöriger eines Handel treibenden, seefahrenden Volkes). Da wir ihn immer freundlich anlächeln, taut er bald auf und verliert sein grimmiges Gesicht ein wenig. Der vierte im Bunde ist Erwin, ein aufgewecktes, dreiundzwanzigjähriges Bürschchen, unser Guide, der ständig von einem Ohr zum anderen strahlt und in lustigem Englisch so locker vor sich hin quasselt, dass wir gar nicht anders können, als uns von seiner guten Laune anstecken zu lassen. Das Schiff ist groß genug, um sich nicht ständig auf die Zehen zu treten, nur die seitlichen Gänge sind so schmal, dass es eigentlich ein Einbahnsystem bräuchte.


Das Wetter heute ist herrlich, sonnig und heiß – gerade richtig, um sich den Seewind um die Ohren blasen zu lassen. Wie schön! Wir fahren auf einem ruhigen Meer zwischen unzähligen Inseln hindurch, hinüber nach Rinca, der ersten „Dracheninsel“, die, so wie Komodo, die Heimat der einzigartigen Warane ist. Diese sind wesentlich gefährlicher als die Krokodile, von denen es hier auch einige gibt, denn ihr Biss ist tödlich, wenn nicht innerhalb weniger Stunden ein Antibiotikum zur Verfügung steht. Der Speichel der Echsen enthält ein durch Drüsen im Unterkiefer abgesonderte Gift, und ist zudem noch mit hoch aggressiven Bakterien verseucht, die selbst einen Bullen nach spätestens einer Woche elend zu Grunde gehen lassen. Zu dem wirklich abstoßenden Eindruck, den die Tiere machen, gehört auch, dass sie Kannibalen sind, und sich selbst die Jungtiere vor den Eltern in Sicherheit bringen müssen. 


Ehe wir uns auf einem streng vorgeschriebenen Trekkingpfad auf die Suche nach den Tieren machen können, müssen wir uns im Ranger-Camp einer umständlichen Anmeldeprozedur unterziehen und umgerechnet 40 € Eintrittsgebühr bezahlen. Dann geht es in Begleitung eines, mit einem Stecken bewaffneten, Führers los.


Auf unserer viertätigen Fahrt auf der Insel Flores wird uns Chelly als Tourguide begleiten und Bona unser Fahrer sein. Die beiden hinterlassen in ihrer ruhigen und zuvorkommenden Art einen hervorragenden ersten Eindruck. Von Beginn an erzählt Chelly unaufgefordert von seiner Heimat Flores, und wir hören erfreut zu. Auf alle Fragen bekommen wir kompetente Antworten in sehr gutem Englisch.


Chelly verspricht, uns heute unterwegs eine Schule zu zeigen. Damit wir nicht nur als schaulustige Touristen kommen, besorgen wir in einem Laden Hefte und Kugelschreiber – die werden hier gut gebraucht, denn der Schulbesuch ist auf Flores keineswegs gratis, viel mehr noch – ziemlich teuer. Jetzt aber drängen wir zur Eile, denn wir wollen die Spinnennetz-Reisfelder von Cancar bei Sonnenschein erleben. Dazu steigen wir den Hügel hinter dem Dorf Cara hoch, um von diesem erhöhten Platz aus die kreisförmigen Gebilde in der grünen Ebene zu überblicken. Wir sind begeistert von der Ästhetik des Anblicks und von dem Geschenk, das uns die Sonne gewährt. Diese hat nämlich noch etwas zugewartet, ehe sie sich anschickt, wieder hinter den Regenwolken zu verschwinden. Dunkle und leuchtend grüne Flecken wandern über die konzentrischen Linien der Felder und lassen das Bild so lebendig erscheinen, wie das Zittern des Lichts in den Tautropfen eines echten Spinnennetzes.


Gleich unterhalb des Hügels befindet sich die Dorfschule von Cara. Hier werden wir schon erwartet. Die Kinder haben gerade Pause und stürmen uns johlend auf dem großen Freiplatz entgegen. Der Lehrer einer ausgewählten Klasse fordert mich auf, eine Unterrichtsstunde zu halten, wozu ich mich angesichts der süßen Gesichter gerne bereit erkläre. Die Kinder wiederholen alles, was sie von mir hören, lauthals schreiend im Chor. Zum Beispiel: Ich sage: „My name is Birgit.“ Sie schreien wie auf Kommando „Birgit!“ „His name is Franz.“ Wie im Echo (nur viel lauter) kommt „Franz!“ zurück. So geht das mit wachsender Begeisterung weiter. Ich erzähle vom Schifahren, von Kälte und Schnee, Schlössern und Burgen. Weiter komme ich nicht, denn nach wenigen Minuten lässt die Disziplin merklich nach. Ich weiß, in solchen Situationen hilft ein Lied: „Bruder Jakob“ - zuerst von mir in Deutsch gesungen, dann von den Kindern in Indonesisch. Jetzt sind alle außer Rand und Band. Das Verteilen der Hefte gelingt nur, weil ich darauf bestehe, dass alle sitzen bleiben. Dann geht es aber gut, und beim Gruppenfoto, draußen im Pausenhof werden wir immer mehr, denn auch die anderen Schulklassen wollen mit aufs Bild.


Einer der Hauptgründe für die Entscheidung, unsere Flores-Expedition so weit in den Osten auszudehnen, sind die Kraterseen des Vulkans Kelimutu. Auf unserer Fahrt dorthin kommen wir am Bluestone Beach vorbei.


Am Tag unserer Vulkantour geht es um Vier Uhr früh los. Natürlich ist es stockdunkel, und wir bekommen von der halbstündigen Fahrt nur das bizarre Dickicht des Waldes mit, das schemenhaft wie Gespenster an unseren Fenstern vorbei schwebt. Kurz vor dem Ausgangspunkt unserer Wanderung, bei der wir lediglich 200 Höhenmeter zu überwinden haben, entrichten wir die Gebühren für den Eintritt in den Nationalpark (150000 Rupia – 12€ pro Person). Ein bequemer Stufenweg führt vorerst in einem immer lichter werdenden Wald, durch dessen Blätterdach bald der schon fast runde Mond schimmert und, zu unserer Freude, ein für die Tropen ungewöhnlich klarer Sternenhimmel. Der Schwefelatem verrät, dass wir uns auf der linken Seite bereits einem der Krater angenähert haben. Natürlich sind wir hier nicht allein und bewegen uns in einer lockeren Lichterschlange, die alle Sprachen der Welt spricht, hinauf zum Gipfel in 1640 Metern Seehöhe. Hier genießen wir in aller Ruhe das Farbenspiel, welches dem Erscheinen der Sonne vorausgeht.


Immer wieder steigt dichter Nebel vom Tal auf und macht unser Warten bis zum letzten Augenblick spannend. Werden sich die Augen des Vulkans zeigen, oder wird sein Blick sich zuletzt doch noch verschleiern. „Welche Farben werden die drei Kraterseen heute haben?“ fragen sich hier alle, denn niemand kann das voraussagen. Es kommt vor, dass das Erscheinungsbild der Seen sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch verändert. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass das Wasser in tiefere Gesteinsschichten vordringt und dabei unterschiedliche Mineralien löst, andererseits sich die wechselnde Zusammensetzung der Gase im Wasser abbildet. Ich habe recht, wenn ich vermute, dass die Einheimischen für dieses Naturschauspiel einen Mythos bereit haben. Chelly erzählt von dem Volksglauben, der in den Kraterseen die Ruhestätten der Geister sieht. Die Seelen der zu früh verstorbenen Kinder wohnen im „Tiwu Nuwa Muri Koo Fai“, die Seelen der Alten hingegen im „Tiwa Ata Mbupu“. Im „Tiwu Ata Polo“ aber warten die Seelen der Sünder bis zur Nacht, um mit dem Wind emporzufliegen und jeden Lebenden zu vernichten. Gut also, dass sich um uns bereits das Tageslicht breit macht und die fantastische Szenerie vorerst als Schwarz-Weiß-Zeichnung vor uns ausbreitet. Die Farbpallette präsentiert der Vulkan gemeinsam mit der zögerlichen Sonne nach und nach, so als wolle er die Spannung auf die Spitze treiben. Bald steht fest, dass der Krater der alten Seelen heute im Nebel badet. Die Tatsache aber, dass im geheimnisvollen Wabern die Vögel ein ganz unglaubliches Morgenkonzert geben, macht den unsichtbaren Kratersee zu jenem von den dreien, den ich am meisten ins Herz schließe. Die anderen beiden zeigen sich heute im Gleichklang aus Türkisgrün, was vorerst ein bisschen enttäuschend ist, weil fotografisch nicht so attraktiv wie das Nebeneinander von Rot und Grün oder Schwarz und Blau oder milchig Weiß und Braun – all diese Farbschattierungen hat der Vulkan in seinem Programm!


Zum Pflichtprogramm einer Flores-Tour gehört der Besuch eines der traditionellen Dörfer in den Bergen. Wir fahren heute zum Ngada-Dorf „Bena“. In den zwei, einander gegenüberliegenden Reihen von Wohnhäusern mit Bambusvordächern leben neun Clans. Fragt man die Einwohner, wie viele Menschen hier wohnen, so sagen sie: dreihundert", zählen dabei aber die verstorbenen Ahnen mit. Und wirklich scheint es so, als müssten diese anwesend sein, denn in der Mitte des Dorfes stehen zahlreiche Hüttchen, nach oben hin spitz zulaufende für die männlichen Vorfahren, runde, breite für die weiblichen. Jede Familie verfügt über zwei Häuser: eines mit weiblichen und eines mit männlichen Symbolen auf dem Dachfirst.


Der Dorfmittelpunkt ist auch Schauplatz für die regelmäßig stattfindenden Blutopfer, von denen die zahlreichen Büffelschädel Zeugnis geben. Wie auf einem Totempfahl, übereinander aufgereiht, „schmücken“ sie die schattigen Holzbalkone der Häuser, auf denen Frauen den Besuchern ihre Ikat-Webereien präsentieren.


Interessant ist auch, dass die Dorfgemeinschaft auf dem Matriarchat beruht, was im Übrigen im Osten von Flores die vorherrschende Form des Zusammenlebens ist. Dies bedeutet unter anderem, dass nach der Hochzeit der Mann zur Familie der Frau zieht und diese die Entscheidungsgewalt in der Ehe hat.


Da unser Aufenthalt auf Flores nun langsam dem Ende zugeht, können wir ein Resümee ziehen. Gründliche Recherche und das nötige Quäntchen Glück haben uns eine wirklich schöne Zeit beschert. Unsere durchorganisierte Tour von Discovery Komodo Adventure war zwar nicht ganz billig, dafür aber immer auf unsere Wünsche abgestimmt und von sehr professionellen und liebenswerten Guides begleitet.  http://discoverykomodoadventure.com/